SV Neptun Herne 1923 e.V.

Direkt zum Seiteninhalt
Allgemeines


HERNE, DEN 21. SEPTEMBER 1923



Aus den Anfängen



Es war ein sonniger Herbstnachmittag im Revier, ein Sonntagnachmittag, der eigentlich nichts Ungewöhnliches bot. Man schien sich an das ungewöhnliche Bild in den Straßen schon gewöhnt zu haben: An jedem Platz eine Traube von untätigen Arbeitslosen, die sich in endlosen Diskussionen über Vor- und Nachteile des passiven Streiks in den Haaren lagen, die einmal mehr die fortschreitende Geldentwertung bejammerten und bei dem Gedanken fast wahnsinnig wurden, nichts, aber auch gar nichts zur Wiederherstellung eines geordneten Lebens unternehmen zu können.

Nicht gerade beruhigend wirkten die Erzählungen der zahlreichen Kriegsveteranen auf die Gemüter der Erregten. Erinnerungen an den verlorenen blutigen Krieg führten ihnen die Hilflosigkeit ihrer Lage nur noch deutlicher vor Augen. Das Leben war leer geworden. Wer keinen Arbeitsplatz fand oder nicht gewillt war, Kohle für die rachsüchtigen Siegermächte zu produzieren, dem blieb nur das Beklagen der Situation oder die Flucht in endlos lange Skatspiele. Engagierter Widerstand würde bald an der Gewöhnung an die Lage zerbrechen, Gleichgültigkeit Platz greifen.

Vorbei an diskutierenden Männern lief ein kleiner, vielleicht 14jähriger Junge die Bahnhofstraße hinunter. Er hatte offenbar seine beste Sonntagskleidung angelegt, zumindest das, was er darunter verstand, als ginge es zu dem Geburtstag einer Tante mit Kaffee und Kuchen. Das Gesicht des Eiligen verriet Spannung, doch schien er kaum etwas Böses auf sich zukommen zu sehen. Genaue Beobachter hätten sogar entdecken können, dass er manchmal unwillkürlich lächelte, wenn ihn seine Gedanken übermannt hatten. Insgesamt hob sich die freudige Erregung des Kleinen wohltuend von seiner tristen Umgebung ab, ehrliche Lebensfreude war eine Seltenheit geworden.

An zahlreichen Geschäften vorbei, deren Ware gegenüber dem Vortage mit noch höheren Preisen ausgezeichnet war, vorbei an der großen Bonifatiuskirche lief er die Hauptstraße hinunter. Er hatte fast den Bahnhof erreicht, hörte schon das Schnauben einer großen Lokomotive, als er plötzlich seine Schritte verlangsamte. Kurz vor seinem Ziel war die Vorfreude gewichen, erfüllt von Zweifeln setzte er seinen Weg fort, jedoch zögernder und unsicherer.

„Nein, ich bin nicht zu jung, ich gehe hin“, und um seinen Entschluss zu bekräftigen, beschleunigte er wieder das Tempo. Aus seiner Rocktasche holte er ein zerknittertes Stück Papier und zog es glatt. Gestern erst hatte er den Artikel fein säuberlich aus dem „Herner Anzeiger“ ausgeschnitten. Jawohl, hier stand es schwarz auf weiß: „Alle Herner Mitbürger, die an der Gründung eines Schwimmvereins interessiert sind, mögen sich am Sonntag um 14.00 Uhr in der Gaststätte Hindenburg, Ecke Bahnhof-/Manteuffelstraße, treffen.“

Ja, das hatte ihn tatsächlich interessiert; seit er sich im vergangenen Sommer das Schwimmen im fast ausgelaufenen alten Stichkanal selbst beigebracht hatte, war es zu seiner unumschränkten Lieblingsbeschäftigung geworden. Wenn es das Wetter erlaubte, war er fast jeden Tag mit seinen Freunden zum Kanal gewandert, der einzigen Möglichkeit, in Herne zu schwimmen. Den ganzen Tag hatten sie dort getobt, getaucht, geschwommen und ihre Privatwettkämpfe ausgetragen. Und jetzt im Schwimmverein würde er . . .“

„Fais attention, farfelu gaillard“, schnorrte ihn plötzlich eine Stimme an. Der Junge prallte zurück. Ganz in Gedanken über seine zukünftigen Schwimmlorbeeren versunken, hätte er fast einen französischen Soldaten angerempelt, der vor dem Bahnhof Wache stand. „Tschuldigung“, murmelte der Knabe und machte einen großen Bogen um den blau-rot Uniformierten, der mit seinem riesigen Bajonett nicht nur einem 14jährigen Furcht einflößen konnte.

Das letzte Stück bis zu seinem Ziel war nur noch ein Katzensprung. „Gaststätte Hindenburg“, ja hier war es. Bestimmt kam er zu spät. Keuchend drückte er die schwere Holztür auf und eilte durch die Gaststätte, verfolgt von den erstaunten Blicken der Gäste. Vor dem großen Saal hielt er kurz inne und versuchte möglichst geräuschlos die Tür zu öffnen. Herrgott, das war ja eine Riesenansammlung von Leuten. Über 100 Menschen füllten den Saal und lauschten gerade den Worten eines Mannes, der – jede Silbe mit einer unterstreichenden Handbewegung begleitend – seine Worte über die Anwesenden ergoß:

„dass es uns bewusst sei, welch eminent wichtigen Beitrag wir zur Rettung des Lebens vieler Menschen leisten wollen. Wir dürfen uns nicht mehr damit begnügen, erschüttert aus den Tageszeitungen zu entnehmen, dass der nasse Tod ein weiteres Opfer gefordert hat. Die Pflege des Tauchens und Rettungsschwimmens ist als Aufgabe . . .“

Mehr bekam der Junge nicht mehr mit. Er hatte in der Menge den blonden Schopf seines Freundes entdeckt, der ihm noch einen Platz freigehalten hatte. „Wo bleibste denn?“ „Konnte nicht eher. Ist was passiert?“ „Bis jetzt nur dummes Zeug. Der große da vorn ist Vorsitzender geworden. Mehr weiß ich nicht mehr. Ach ja, Schwarz-Grün-Weiß sind unsere Vereinsfarben. Wann wir unseren ersten Wettkampf haben, haben ´se noch nicht gesagt.“

„Was wollt ihr trinken?“ Die Kellnerin war an den Tisch der beiden getreten. „Ja wartense mal . . . Bringen Sie uns bitte ein Bier!“ Die dicke Dame schwenkte ihr Tablett und musterte die beiden Knirpse. „Na gut, zwei Bier die Herren,“ knurrte sie und wandte sich ab. „Entschuldigen Sie bitte, grinste der Blonde, „nur ein Bier . . . für uns beide. Aber das Gute vom Bürgerlichen Brauhaus Herne“, fügte er mit wichtiger Miene hinzu.

Inzwischen schien der Redner am Ende seines Vortrages angelangt zu sein. „ . . . und so hoffe ich, dass wir eine sportliche Gemeinschaft bilden werden. Kameradschaftlichkeit soll das oberste Prinzip aller unserer Handlungsweisen sein. Wir alle werden gemeinsam daran arbeiten, auf das wir stolz sein können auf unseren Verein. Er wird uns Aufgabe und Freude sein, insbesondere in unserer derzeitigen Lage. Gut Naß!“

Sofort brauste tosender Beifall auf, und an jedem Tisch begann sogleich eine angeregte Diskussion. Da wurden die ersten Trainingsversuche im Gelsenkirchener Hallenbad erörtert, der erste Ausflug wurde geplant, und die Damen besprachen ihr erstes Kaffeekränzchen. Bis in den letzten Winkel spürte man das Gefühl eines jeden, an etwas anderem, an etwas Neuem teilzuhaben. Jeder hatte Ideen, jeder wollte den Verein mit Leben füllen.


„Einen Moment noch“, der Vorsitzende konnte sich kaum gegen das Stimmengewirr durchsetzen. „Wir müssen noch das Formelle erledigen. Unterschreibt bitte beim Kassierer hier eure Beitrittserklärungen“. Die letzten Worte waren wieder im Lärm der lebhaft debattierenden Menge untergegangen. Trotzdem folgte man nach einiger Zeit dem Beispiel einiger älterer Damen, und schon bald bildete sich eine lange Schlange vor der Anmeldeliste. Nach dieser langwierigen Prozedur leerte sich der Saal erst allmählich.

Nachdem die beiden Freunde auch ihre Unterschriften auf die Anmeldeliste gemalt hatten, schlossen sie sich der Allgemeinheit an und machten sich wieder auf den Heimweg. Einige Begeisterte wollten den Gründungstag allerdings noch bis in die Nacht feiern – wann hatte man schon einen so triftigen Grund zu feiern?

Für einen Moment blieben die beiden Jungen noch vor dem Eingang stehen. Das erhebende Gefühl in ihrer Brust hatte sich noch immer nicht gelegt. „Hör ´mal, wie heißt der Verein überhaupt, habt ihr ihm nicht ´nen Namen gegeben?“ – „Klar doch“, lachte der Blonde, „Schwimmverein Neptun Herne, war son oller Meeresgott“ – „SV Neptun Herne, nicht schlecht.“ Die Hände in den Hosentaschen, schlenderten beide die Bahnhofstraße hinauf.


Ulrich Sommer







HERNE, DEN 28. Juli 1930

NEPTUN GEWINNT KANALSTAFFEL


Am letzten Wochenende weilten Neptuns Schwimmjünger erstmalig in ihrer recht kurzen Vereinsgeschichte in Essen, um an der Kanalstaffel teilzunehmen. Die 3,8 km lange Strecke im Rhein-Herne-Kanal (auch Glückauf-Staffel genannt) musste von 10 Schwimmern durchschwommen werden. Das Rennen, das als das schwimmerische Großereignis im Revier für Vereine ohne Winterbad gilt, erfreute sich einmal mehr der regen Anteilnahme der ansässigen Bevölkerung.

Wohl 10.000 Menschen säumten bei strahlendem Wetter die Rennstrecke. Ihre Hoffnungen wurden nicht enttäuscht: guter Sport, erbitterte Kämpfe und
schwimmerische Glanzleistungen ergötzten alle Schwimmbegeisterten und hielten sie in ihrem Bann. Der Start der Veranstaltung erfolgte um 16 Uhr am Kilometerstein 23 hinter der Schleuse 4 in Gelsenkirchen. Schon nach wenigen Minuten bildete sich unter den 20 Teilnehmern ein vierköpfige Spitzengruppe, unter denen sich auch Keßler befand.

Keßler gab den erprobten Startmann ab und rettete die gute Platzierung bis zum ersten Wechsel nach 500m. Beeking zeigt auf den nächsten 400m ein tapferes Rennen, konnte dennoch nicht verhindern, dass die Mannschaften des 1. Weseler SV, Wattenscheid und Steele einen Vorsprung herausschwammen. Hammelmann musste dann noch die favorisierte Mannschaft von Rheingold Emmerich passieren lassen.

Hoffnung schöpften die Herner wieder, als Dörsam sich wieder in fabelhafter Manier an die Führenden herankraulte. Unter unbeschreiblichem Jubel der mitlaufenden Schwimmkameraden brachte Reichel Neptun sogar in Front. Bei der nächsten Ablösung ergaben sich beim Kappenwechsel Schwierigkeiten, Neptun büßte den Vorsprung wieder ein. Doch zeigte sich Keminer von seiner besten Seite auf seiner 200-m-Strecke und hielt bravourös den Anschluß.

Überdurchschnittliches Format bewies auch Höcker, der in einem erbitterten Kampf Steele und Wattenscheid abschütteln konnte. Wesel war bereits vorher ausgeschieden. Als Emmerich und Neptun gleichzeitig am Kilometerstein 20,4 wechselten, war jedermann klar, dass die Entscheidung zwischen diesen fallen würde. Denn beide Mannschaften stellten vorbildliche Schwimmer, die hart um die Siegespalme rangen.

Der verzweifelte Versuch von Stilkenbäumer, die Spitze zu übernehmen, war nicht von Erfolg gekrönt. Nicht minder erbittert kämpfte Bigge, um den Sieg an sich zu reißen. In Anbetracht der Erfahrenheit der Emmericher war ihre Führung jedoch verständlich. Beim letzten Wechsel hatte der Herner Schlussmann Rasch einen fast aussichtslos erscheinenden Rückstand von 20 m, als er sich daran machte, die letzten 500 m zurückzulegen.

Sein Unterfangen erschien um so hoffnungsloser, als sein Gegner kein Geringerer als der Westdeutsche Meister Pommerin war. Doch hatte Rasch einen sehr guten Tag. In elegantem Stil zog er durch das ruhige Kanalwasser, angefeuert von zahlreichen Menschen an den Böschungen und ankernden Kähnen. Über den Köpfen der Menschenmengen flatterte fröhlich der Wimpel mit Neptuns Dreizack im Wind, als Rasch den Führenden nach 350 m erreicht hatte.

Pommerin, der den Siegespokal bereits sicher wähnen mochte, mobilisierte noch einmal alle Kräfte, hatte dem unwiderstehlichen Endspurt des Herners aber nichts mehr entgegenzusetzen. Mit einem Vorsprung von 10 m erreichte Rasch die Badeanstalt Essen-Karnap. Unter dem freudigen Beifall der Zuschauer, unter ihnen zahlreiche Herner Schlachtenbummler, schwamm Rasch – nomen est omen – als erster unter dem Zielband her, das quer über den Kanal gespannt war.

Zum ersten Male gewannen somit die Neptuner in der schönen Zeit von 1:07:10 Stunden den Wanderpokal, den sie strahlend mit nach Hause brachten. Der gesamten Neptun-Mannschaft gebührt für Ihr glänzendes Abschneiden größtes Lob. Trotz widriger Trainingsmöglichkeiten zeitigte die Jugendarbeit der Neptuner erstmals einen großen Erfolg.


Es bleibt zu hoffen, dass der Sieg dieser Pioniere des Schwimmsports in unserer Stadt ein Ansporn ist, der noch mehr Jugendliche diesem edlen Sport zuführen möge. Denn hier wird ihnen alles gegeben: Licht, Luft, Wasser und Bewegung. Das Üben des Schwimmens sollte jedem Buben und Mädel eine Selbstverständlichkeit sein, damit sie gefeit sind gegen die Tücken des Wassers.


Die segensreiche Tätigkeit des Schwimmvereins Neptun verdient auch weiterhin unser aller Unterstützung. Hell strahlt uns die Gegenwart entgegen, so dass man mit Zuversicht in die Zukunft schauen darf. Unentwegt werden die Neptuner auch nach diesem Sieg weiter streben, damit sie stets mit restloser Zufriedenheit der Vergangenheit gedenken können. In diesem Sinne ein kräftiges „Gut Nass“.




1947


NUTPEN ENREH – DIE INDISCHE WASSERBALL-MANNSCHAFT


Über diesen Gag lachte das ganze Ruhrgebiet. Dabei fing alles so vielversprechend an. Groß waren die „Indier“ zu einem Schwimmfest 1947 in Brambauer angekündigt worden. Die Presse überschlug sich, und die braunen vermummten Fremdlinge waren stundenlang Objekt der Neugier aller Schwimmfreunde. Das Staunen riss nicht ab, als die exotische Truppe einen Ausflug bei den Kumpeln vor Ort unternahm. Schwierigkeiten traten erst auf, als die Reporterin einer großen Düsseldorfer Tageszeitung in perfektem Oxford-Englisch einen Interview-Versuch unternahm.

Als sie nur auf lächelnde Gesichter stieß, aber keine Antwort bekam, wurde sie misstrauisch und ging dem großen Auftritt der Wasserballkünstler aus dem fernen Asien auf den Grund. Hätte sie den Namen der bewunderten Mannschaft rückwärts gelesen, wäre sie schon eher auf des Rätsels Lösung gekommen:


Bunte Bademäntel, ein selbstgebundener Turban und eine geheimnisvolle braune Wichse hatten den Wasserballern von Neptun Herne zu überraschender Berühmtheit verholfen. In einem furiosen Spektakel wurde die Geschichte zum Vergnügen aller aufgedeckt – und die Reporterin hatte dennoch eine gute Story.




HERNE, DEN 10. SEPTEMBER 1950



ERINNERUNGEN AN RICHARD BEEKING



„Wenn du heute noch mal baden willst, musst du erst einen anderen aus dem Becken ziehen. Ich glaube die ganzen Leute haben sonntags nichts anderes zu tun, als unser Neptun Bad in Beschlag zu nehmen.“ Der Angeredete, im selben jugendlichen Alter wie der selbstbewusste Neptuner, blieb ungerührt auf seiner Decke liegen und genoss die warmen Sonnenstrahlen. Nach einem kurzen Blinzeln über die lebendige Woge ausgelassener Kinder und zahlreicher anderer Schwimmbegeisterter entschloss er sich dennoch zu deren zaghafter Verteidigung.

„Immerhin ist es wohl das letzte Mal in diesem Jahr, dass sie hier schwimmen können. So ein tolles Wetter werden wir wohl nicht mehr wiederkriegen. Und überhaupt, wo sollen die denn sonst hingehen?“ – „Im Grunde stimmt’s ja. Das Sommerbad ist ja viel zu weit weg, und 'n Hallenbad werden wir wohl in den nächsten hundert Jahren nicht bekommen. Kein Wunder, wenn alle aus Sodingen, Börnig und Holthausen hier an die Castroper Straße kommen.“

„Hat Oma Reimann an der Kasse wenigstens wieder 'ne Masse zu tun.“ „Und trainieren können wir abends immer noch.“ Beide warfen einen gönnerhaften Blick auf die wasserhungrigen Gäste. Für ihr Sonnenbad hatten sie sich einen idealen Aussichtsplatz gewählt: Eine kleine Anhöhe, deren Rücken von einer langen Reihe imposanter Bäume gekrönt wurde. Sanft glitt der Hang hinab zu der geschützten Mulde, in der das 50 Meter lange Schwimmbecken lag, um sich an der anderen Seite wieder zu einem baumbestandenen Hügel zu erheben.

Würden nicht die hochragenden Fördertürme im Hintergrund an die industrielle Wirklichkeit des Reviers erinnern, und wäre das gesamte Gelände nicht von der Geräuschkulisse von Badenden und Spielenden bedeckt, man könnte die Lage des Neptun Bades fast als Idyllisch bezeichnen. In einem tiefen Seufzer stellten die beiden Jugendlichen einhellig fest, dass die vereinseigene Anlage schon eine Pfundssache sei.

„Na, ihr Lausejungen, heute keine Lust mehr, in den Teich zu hüpfen?“ Der große ältere Herr, den die beiden bei ihren Träumereien gar nicht bemerkt hatten, lächelte freundlich und zog genüsslich eine riesige Rauchwolke aus einem verkohlten Monstrum, das wohl eine Pfeife darstellen sollte. „Ja wissen Sie, Herr Rumpf, ich glaube wir lassen heute noch mal unseren Gästen den Vortritt.“ – „Ach ja,“ der alte Mann blickte versonnen auf den regen Betrieb hinab.


Erinnerungsbilder schienen in seiner Vorstellung aufzutauchen, als er leise murmelte: „Wenn ich daran denke, wie das hier vor fünfzehn Jahren noch aussah.“ Die Bemerkung hatte die Neugier der Jungen geweckt. Vorsichtig tasteten sie sich an ihr „Opfer“ heran. Wie? Gab's denn da unser Bad noch nicht?“ „Aber nein“, der Neptun-Veteran lachte, „in unseren Gründungsjahren konnten wir nur im Kanal schwimmen, später auch im Sommerbad. Obwohl wir nur wenige Monate im Jahr schwimmen konnten, blieb unser Haufen immer zusammen. Wir hatten eine Menge Wettkämpfe, Wasserballspiele, humoristische Schwimmfeste.


Und da waren Ausflüge, Kegelabende und Lumpenbälle, ja und im Winter haben wir in der Turnhalle geübt. Unsere Wasserballer mussten sich durch Handball fit halten . . ., da war schon eine tolle Truppe zusammen. Rasch, Stilkenbäumer, Bigge und wie sie alle heißen. Sämtliche Erfolge – wir waren vor dem Krieg schon bester Schwimmverein im Ruhrgebiet – verdanken wir zum Großteil unserem sportlichen Leiter Richard Beeking, er hatte uns während der ganzen Jahre den nötigen Halt gegeben.“

„Ach, ich weiß“, fuhr einer der Knaben dazwischen, für den haben wir doch am letzten Sonntag das erste Gedächtnisschwimmen gemacht. War schon klasse, wie wir Wanne und Gladbeck eingeseift haben.“ Durch die vorwurfsvollen Blicke seines Freundes wurde der Kleine in seinem Eifer gebremst, und der alte Herr setzte seine Erinnerungen fort. „Ja, und Richard Beeking war es auch, der die Idee zu dem vereinseigenen Bad hatte. Was meint ihr wohl, was das für Querelen mit der Behörde waren, bis wir die Genehmigung bekamen, die haben anscheinend eine Konkurrenz zum Sommerbad befürchtet.

Doch als wir die Erlaubnis schließlich hatten, fing das eigentliche Arbeiten erst an. Für eine kleine Pachtgebühr hatte uns die Zeche Mont-Cenis das Grundstück hier zur Verfügung gestellt. ,Grunewald’ hieß das Wäldchen hier noch früher bei den Leuten. Mit Bohrhämmern, Hacken und Schaufeln sind wir der Mergelschicht zu Leibe gerückt. Mein Gott, haben wir hart gearbeitet, alles freiwillige Helfer des Vereins. Mit Pferdefuhrwerken haben wir das Erdreich weggeschafft. Es hat viel Energie, Idealismus und zahlreicher Spenden bedurft, bis wir es geschafft hatten. Ich glaube, es war der stolzeste Tag in meinem Leben, als das Schwimmbad im Juli 1935 eröffnet wurde. Experten haben es schon damals auf 60.000 Reichsmark geschätzt.“


„Habt ihr sofort einen Wettkampf gemacht?“ „Aber sicher, und sogar gewonnen. Auch die ersten beiden Wasserballspiele haben wir gewonnen, gegen Wasserfreunde Herne und Poseidon Wanne. Ich kann mich genau erinnern“, lachend schlug er sich auf den Oberschenkel, „wegen der kalten Wassertemperatur haben wir nur 2 x 7 Minuten gespielt.“ „Ihr müsstet das Wasser eben anheizen“, stellte ein Junge entschieden fest. „Kleiner Träumer“, der Alte hatte für ihn nur ein mitleidiges Lächeln übrig.

„Wir haben auch so Sorgen genug. In jedem Frühjahr müssen wir die Frostschäden in Eigenarbeiten wieder ausbessern. Nach dem Krieg mussten wir sogar die ganze Stirnwand erneuern. Wen haben die Bomben eigentlich nicht getroffen . . . Aber auf jeden Fall hat sich unsere Arbeit immer gelohnt. Das Bad ist und bleibt Zentrum unseres Vereinslebens. Hier wird trainiert und gespielt, hier sind Wettkämpfe und Wasserballspiele und sogar unsere Sommerfeste. Ja, wer hat schon eine vereinseigene Anlage?“

Die Augen des Alten schienen vor Stolz zu leuchten. „Schade, dass wird den ganzen Winter jetzt wieder aussetzen müssen.“ „Na, ja, ihr werdet es überleben. Kommt ihr morgen Abend zum Jugendheim an der Jean-Vogel-Straße?“ „Selbstverständlich. Ich werde mit meiner unnachahmlichen Vorhand wieder alle anderen Tischtennisamateure von der Platte fegen.“ Alle drei lachten. „Alter Angeber! Vielleicht lässt du dir aber bis morgen noch ein paar Vorschläge einfallen, unsere Jugendabteilung plant nämlich für die Winterpause.“ Bis dahin wird mein geistiges Genie schon wieder einige einmalige Einfälle produziert haben. Bis denn. Morgen in alter Frische.“


HERNE, DEN 23. MAI 1965

Hallenrekord (Jürgen Cokelc)




„Meine Damen und Herren, wir kommen nun zum schnellsten Lauf der diesjährigen Stadtmeisterschaften.“ Die fistelnde, widerhallende Stimme aus den Lautsprecherboxen schien trotz der bereits im Tonfall zu erspürenden Sensationsankündigung noch keinerlei Wirkung auf ihr Auditorium auszuüben. Die große Anzahl von Sportlern ging weiter unbeirrt intensiven Startvorbereitungen am Beckenrand nach.

Eingemummt in Trainingsanzügen, Bademänteln und Handtüchern, tänzelte man auf und ab, wägte in Gesprächen mit der Konkurrenz die eigenen Platzierungschancen ab oder versuchte, die eigene Nervosität durch Scherze zu überspielen. Ab und zu glitt der Blick auch über die vollbesetzte Tribüne. Aber dort schien man noch wenig Notiz von den Hauptakteuren des heutigen Nachmittags zu nehmen.

Dominierende Gesprächsthemen waren hier noch die eben erfolgte Begrüßung von OB Brauner oder das sensationelle olympiaverdächtige Talent des eigenen Filius. Monoton, als hätte er die Lottozahlen der letzten siebzehn Wochen zu verlesen, arbeitete sich der Sprecher nunmehr durch die Startliste. „Bahn 3 Heino Springer HTC, Bahn 4 Jürgen Cokelc, Neptun . . .“ Interessierte Aufmerksamkeit ging bei der Nennung des letzten Namens durch die Zuschauerreihen. Spähte man von der Tribüne aus suchend auf die Menge, konnte man ihn auch inmitten eines lebhaften Pulks auf der gegenüberliegenden Seite entdecken.

Wie es schon fast zur Tradition geworden war, gab das siebzehnjährige Neptun-As – einmal mehr umringt von seinen „Fans“ – einen Schwank aus seiner Jugend zum besten. Überall wo der sympathische Neptuner auftauchte, war er wegen seiner natürlichen Art und vorbildlichen sportlichen Fairneß geschätzt und beliebt – vielleicht mit Ausnahme der Journalisten, die an der Schreibweise seines Hausnamens bald verzweifelten.

Auf das Ende der Story musste seine Zuhörerschaft vorläufig verzichten. Jürgen „Don“ Cokelc – der amerikanische Olympiasieger Don Schollander hatte für den Spitznamen herhalten müssen – war von seinem Betreuer an seinen Wettkampf ermahnt worden. Das Handtuch lässig über die bemerkenswert ausgeprägten Schulterpartien geworfen, marschierte er an den Start, begleitet von unzähligen Ratschlägen.

Trainer und Kollegen schienen der ansteigenden nervösen Spannung eher zu erliegen als ihr Schützling. Knüpfte man doch hohe Erwartungen an den heutigen Tag. Nach jahrelanger sportlicher Mittelmäßigkeit war endlich wieder eine hoffnungsvolle Mannschaft im Aufbau, an ihrer Spitze Jürgen Cokelc, der sich schon im vergangenen Jahr als bester Herner Schwimmer aller Zeiten erwiesen hatte.

Vielleicht war heute sogar die „Minute“ drin, aber alles war nur Spekulation . . . Gerade diese spannungsgeladene Unruhe war wie ein Funke auf alle Anwesenden übergesprungen. Es gab kaum jemanden, der bei dem langgezogenen Pfiff des Starters nicht seine Augen auf die sechs Teilnehmer hinter den Startblöcken richtete.

Wie mit einem Schlag verstummte alles Gemurmel. Absolute Ruhe, konzentrierte Erwartung, ein letztes tiefes Durchatmen vor dem Start. „Auf die Plätze.“ Langsam nahmen die Schwimmer ihre Startpositionen auf den Startblöcken ein. Eingekauert, voller geballter Energie. Stille und Regungslosigkeit in der ganzen Halle. Der Pfiff des Starters ließ die Spannung explodieren. Vorschnellen, Fliegen und sechs gestreckte Körper knallen fast gleichzeitig auf die Wasseroberfläche.

Ein anfeuernder Schrei aus hundert Kehlen und im nächsten Moment glich die gerade noch spiegelnde Glätte des Wassers einem brodelnden Geysir. Arme wirbelten durch die Luft, Beine trommelten in gleichmäßigem Takt. Bereits nach einer Bahn hatte sich Jürgen Cokelc in Führung gesetzt. Als erster schlug er auch in der neuartigen Rollwende vor der Wand herum und schnellte sich mit einem mächtigen Sprint auf die zweite Bahn.

Das kreischende Pfeifen und Schreien der Anfeuernden, unterstützt von dem rauschenden Wasser in der schallenden Halle, erfüllte jeden Zuschauer mit der den Schwimmrennen eigentümlichem Dramatik. Mehrere Dutzend Uhren klickten, als die 50-m-Wende erreicht war. „Fantastische Zwischenzeit“, die Experten strahlten. „Er packt’s.“ Begleitet von unvermindertem Lärm vergrößerte sich der Vorsprung des Führenden. In elegantem Stil und nicht nachlassendem Tempo zog er die Arme durch das aufgewühlte Wasser.

Die letzte Wende, und nun gab es nur noch eins: Kämpfen bis zum Schluss, auch wenn die Glieder schwer werden, die Lunge nach Sauerstoff verlangt. Durchziehen. Die gesteigerte Lautstärke, wenn auch nur schemenhaft wahrnehmbar, spornte ihn an. Die Uhren liefen mit, 55, 56 Sekunden. Nur noch wenige Meter, ein letzter Zug und der erlösende Anschlag. Die Geräuschkulisse ebbte schlagartig ab. Besitzer von Stoppuhren waren in diesem Moment die gefragtesten Leute.

„0:59,5 min., sagenhaft, unter einer Minute, Hallenrekord.“ Ein kurzer Blick auf die Uhr genügte – und platsch, bekleidet mit seinem Trainingsanzug, sprang ein Begeisterter unter dem Aufschrei der Zuschauer ins Wasser, um Cokelc als erster zu gratulieren. „Bra-vo, Do-nie“, klang ein Sprechchor aus der Neptun Ecke, und Beifall rauschte von der Tribüne. Müde und ausgepumpt legte Jürgen einen Arm auf die Begrenzungsleine.


Das zufriedene Gefühl, durch eine gute Leistung nach langem Training ein Ziel erreicht zu haben, erfüllte sein ganzes Bewusstsein, an mehr konnte er in diesem Moment nicht denken. Befriedigung und Freude sprachen aus seinem Gesicht, er lächelte und winkte ein wenig verschüchtert ins Publikum.




Festschrift




SVN '73 (50jähriges Bestehen des Vereins)


Geschichte richtet sich nicht nach menschlichen Einteilungsprinzipien. Alles Geschehen, alle Entwicklungen, alle Höhepunkte – sie sind unabhängig vom Kalender. Der Blick in die Chronik unseres Vereins spricht für sich: ein wechselvolles Auf und Ab, Ereignisse, die von allgemeinen Gesellschaftsströmungen oder Persönlichkeiten bestimmt wurden.

Der Einschnitt des 50jährigen Bestehens muss willkürlich sein. 50 ist zwar nach jedermanns Gefühl eine runde Zahl, doch kann der Zeitraum 1923 – 1973 für den SV Neptun keine abgeschlossene Epoche darstellen. Das Jubiläumsjahr ist nicht die Schwelle zu einem völlig anderen Morgen. Aber dieses Zufallsdatum bietet wie kein anderes Gelegenheit, zurückzublicken.

Zurückzublicken und mitzufühlen mit den zahlreichen Schicksalen, Erfolgen und Enttäuschungen, die mit dem SVN verbunden waren.

Es macht Spaß, in vergilbten Papieren herumzublättern und die Geschichte Revue passieren zu lassen, den Alten zur erhebenden Erinnerung an Geschaffenes, Junge werden vielleicht neben der bloßen Unterhaltung durch die historischen Streiflichter ihren unbedingten Fortschrittsdrang überdenken. Das Jubiläumsjahr ist aber ebenso der geeignete Zeitpunkt für den SVN ´73, sein Selbstverständnis, seine tägliche umfangreiche verwaltende und sportliche Tätigkeiten allen Interessierten etwas näher zu bringen. Wir werden es in dieser kleinen Festschrift versuchen.
Hier wäre vielleicht noch Raum für einen pathosbeladenen Kommentar zur ruhmreichen Vereinshistorie, für ein tiefsinniges Zitat von Goethe . . . – geschenkt. Wenngleich zugegebenermaßen andere weniger zitierfähige Zitate dieses Poeten im Vereinsalltag nicht selten eine Anwendungsberechtigung fänden. Doch trotz der unglaublichsten Schwierigkeiten in der Vorstandsarbeit bleiben Götz-Zitate eine Seltenheit, auch wenn gleich mehrere Übungsleiter zum gleichen Zeitpunkt erkranken, finanzielle Probleme wieder einmal völlig unlösbar erscheinen oder kein Bus für einen Wettkampf besorgt werden kann.

Manch einem hat seine Liebe für diese Tätigkeit schon zu vorzeitiger Ergrauung seines Haares verholfen. Dass bei einem Großverein wie dem SVN der Fülle von auftauchenden Problemen kaum Grenzen gesetzt sind, wird dem schnell klar, der sich nur ein wenig mit der Materie befasst. Die hohe Mitgliederzahl von 1.000 mag Statistiker berauschen. Sie werden feststellen, dass der SVN einer der größten Herner Sportvereine, der größte Schwimmverein der Stadt und einer der größten unter den 100 Vereinen des Bezirks ist. Doch ist der Mitgliederzuwachs als Selbstzweck sinnlos, die eigentliche Größe des Vereins erweist sich in der täglichen Kleinarbeit von Vorstand und Übungsleitern.

Die Qualität dieser Arbeit hat allerdings einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Beliebtheit eines Vereins, so dass wir angesichts der hohen Mitgliederzahl doch einen Grund hätten, ein wenig stolz zu sein. Denn es ist sicherlich nicht die einfachste Angelegenheit, ein abgestuftes Trainingsangebot für alle Schwimmbegeisterten zu koordinieren. Das beginnt mit der Nichtschwimmerausbildung in allen drei Herner Lehrschwimmbecken, führt über die Schülergruppen im Stadtbad und in der Schwimmhalle des Otto-Hahn-Gymnasiums bis zum Training der Wettkampfmannschaft.

Im Sommer kommt das Freibad an der Bergstraße noch hinzu, und auch die Erwachsenen wollen in ihren Bade-Bahnen Gesundheit tanken – insgesamt bis zu 27 Übungsstunden in der Woche, die organisiert werden wollen. Alle Schwimmfreunde sind jedoch stets in fachkundigen Händen: 15 Übungsleiter, die alle ihre Lizenz nach intensiven Lehrgängen erwarben, sorgen für Ausbildung, Aufsicht und Training. „Überstunden“ gibt es für mehrere Übungsleiter am Wochenende, wenn sich ihre Schützlinge bei Wettkämpfen bewähren wollen. Seien es Clubvergleichskämpfe oder Meisterschaften, Einzelstarts oder Staffeln, im letzten Jahr war die SVN-Truppe fast dreißigmal in Sachen Wettkampf unterwegs.

Ein Teil davon findet vor der Haustüre statt: es gibt Vereins- und Stadtmeisterschaften. Aber auch zahlreiche Clubwettkämpfe, die der SVN selbst veranstaltet – allen voran das traditionsreiche Richard-Beeking-Gedächtnisschwimmen, das bereits im Jahre 1950 zum ersten Male ausgetragen wurde. Bei der Planung dieser Wettkämpfe spielt bereits der geschäftliche Teil seine unübersehbare Rolle. Der Siegeszug der Schreibmaschine hat auch vor dem Schwimmverein nicht Halt gemacht. Vorbei sind die Zeiten, als der sportliche Leiter den einzigen alljährlichen Wettkampf mit dem Kumpel vom Nachbarverein am Tresen klarmachte.

Aber die Korrespondenz mit anderen Vereinen, das Erstellen von Ergebnisprotokollen oder die Benennung von Kampfrichtern ist nicht das einzige Betätigungsfeld der Geschäftsführung. Neue Geräte müssen angeschafft werden, die Jahreshauptversammlung bedarf der ausführlichen Planung, da will die Presse informiert werden, muss der Vorsitzende seinen Repräsentationspflichten nachkommen und erwählt sich der Geschäftsführer notgedrungen die Drucktechnik zu seinem neuesten Hobby.

Koordinationsplatz sämtlichen Vereinstreibens ist die monatliche Vorstandssitzung. Hier werden gemeinschaftlich die wichtigsten Planungsentscheidungen getroffen, diskutiert man den Ideenreichtum des Werbewarts oder regt sich über absurde Vorstellungen des Jugendwarts auf. Und da auch die beste Kameradschaft nicht vor Meinungsverschiedenheiten schützt, erfahren demokratische Prinzipien hier ihre Hochblüte. Dass allerdings über die Beileidskarte für den verstorbenen Onkel des 3. Kassierers des Nachbarvereins abgestimmt worden sei, halten wir für ein Gerücht . . .

Mag sein, dass die natürliche Begeisterung der Vorstandsmitglieder durch manch trockene Verwaltungsarbeit gebremst wird, der unmittelbare Kontakt zu den Schwimmern, der Anblick von strahlendem Kinderlachen oder der überschäumenden Freude nach einer neuen Bestzeit, das Gefühl, durch seine Arbeit Freude zu schenken, entschädigt viele persönliche Opfer. Opfer, vor allem großen Zeitaufwand, erfordert die Beschäftigung mit den Finanzen. Jeder Verein ist dankbar, wenn er eine fachkundige Person findet, die sich durch die komplizierte und umfangreiche Buchhaltung kämpft.

Selten jedoch erfährt die unauffällige Tätigkeit der Kassierer eine entsprechende Würdigung. Im Gegenteil – bei seinem Auftritt auf der Jahreshauptversammlung erregt er häufig große Tumulte, wenn das Thema Beitragserhöhungen angeschnitten wird. Mit einem Monatsbeitrag von 1,50 DM, den 90 % der Mitglieder entrichten, ist die Beitragsfrage im SVN derzeit kaum ein Problem, denn der Satz liegt anerkanntermaßen an der unteren Grenze des Möglichen. Sicherlich ein Ergebnis rationeller Haushaltsführung, aber auch ein Beweis eines gesunden Grundverständnisses des Vereins zum Volkssport Schwimmen.

Entspannung und Zerstreuung wird wie wohl in jedem Sportverein auch im SVN ganz groß geschrieben. Gemütliches Beisammensein, Kegelabende, Ausflüge und zahlreiche Sonderveranstaltungen wie im Jubiläumsjahr lassen auch die weniger Sportbegabten zu Wort kommen. Dass die Neptuner besonders gut Karneval feiern können, ist eine Tatsache, die unter Hernern kaum noch erwähnt zu werden braucht. Schon seit Jahrzehnten sind die SVN-Karnevalsfeiern restlos ausverkauft.

Was der Herbstball für die gesetztere Generation, ist die Fete für die tanzwütigen Jugendlichen. Und im SVN macht diese bei eigener Planung und sogar doppelten Spaß, denn nach der neuen Jugendordnung entscheiden die Jugendlichen selbst über ihre Angelegenheiten – auch in finanzieller Hinsicht. Sie wählen sich ihre Vertreter und entscheiden über das Arbeitsprogramm, und das nicht gerade kleinlich.

Beim Tischtennis oder Fußball werden die Talente auf anderen Sportgebieten erprobt, ein Skatturnier steht jährlich ebenso auf dem Programm wie Fahrradtouren. Auch die jüngsten genießen die Abwechslung: Kinderkarneval oder ein Malwettbewerb lassen auch außerhalb der Schwimmhalle eine Bombenstimmung aufkommen. Neben der unterhaltenden Seite verfolgt die Eigenverwaltung der Jugendlichen eine nicht zu übersehende erzieherische Aufgabe. Der Jugendliche erhält weitgehende Rechte, aber auch die Verpflichtung, diese unter Rücksichtnahme auf die Interessen aller auszuüben.

Der SVN bietet hier Möglichkeiten zur Entwicklung eines Verantwortungsbewusstseins, zu dem der nur Unterhaltung konsumierende Jugendliche niemals Zugang fände. Die angeführten Tätigkeitsbereiche können zweifellos nicht die Vielseitigkeit der Vereinsarbeit in ihrer Gesamtheit darstellen. Für Experten waren sie vielleicht überflüssig, der Außenstehende wird zumindest einen Einblick in den Umfang des Vereinsgeschehens gewinnen.

Möglicherweise macht ihn dieser Einblick neugierig. Wir sind sicherlich nicht die einzigen, denen die Leitungsarbeit Freude macht, und bemühen uns daher, stets für neue Aktivitäten und Ideen offen zu sein – eine Aufforderung, die sie eigentlich ungenutzt lassen sollten. Denn: Nicht nur das Schwimmen macht Spaß im SVN.

Ulrich Sommer   

©
Zurück zum Seiteninhalt